Die Produktion, die True-Crime-Podcasts zum Massenphänomen machte, hieß »Serial«. Danach gab es zwar viele Nachahmer, doch erst jetzt kommt mit »West Cork« ein würdiger Nachfolger auf den Markt.

True-Crime-Podcasts: Von Serial zu Criminal

Spätestens seit dem Erfolg der Netflix-Dokudramen »The Keepers« und »Making a Murderer« sind True-Crime-Formate in der Mitte der kriminell interessierten Gesellschaft angekommen. Seit Kurzem hat das Format der Aufklärung oder detaillierten Dokumentation von ungelösten Mordfällen nun den Weg in das noch relativ junge Medium der Podcasts gefunden. Zum Massenphänomen – zumindest in englischsprachigen Ländern – wurden True-Crime-Podcasts allerdings erst durch den unerwarteten Erfolg der Audio-Dokumentation »Serial«, die unter der Kategorie „Investigativer Journalismus“ firmierte. Diese wöchentlich ausgestrahlte Serie beschäftigte sich in mehreren Episoden mit dem Mord an der achtzehnjährigen Schülerin Hae Min Lee in Baltimore, Maryland/USA, der polizeilichen Ermittlung und fragwürdigen Verhaftung des vermeintlichen Täters Adnan Syed, der zum Zeitpunkt ihres Todes eine Liebesbeziehung zu Lee hatte. Das Spannende: Syed selbst nahm damals aus dem Gefängnis zu Fragen der Podcast-Macher Stellung. Zusätzlich zum Podcast konnten Hörer auf der zugehörigen Website Ermittlungsunterlagen, Tatortfotos und anderes Material einsehen.

Ohren auf: Jetzt kommt West Cork

Nach dem überraschenden Erfolg von »Serial« nahmen ähnlich gelagerte Produktionen zwar rasant zu (S-Town, Detective, Real Crime Profile, Someone Knows Something, Up and Vanished, This is Criminal u.v.a.)  doch keine hat es bisher geschafft, eine ähnlich große und vor allem internationalen Zuhörerschaft zu begeistern. Das könnte sich jetzt ändern, denn die soeben von Audible auf den Markt gebrachte Podcast-Produktion »West Cork« bietet alles, was ein Dokudrama braucht – und mehr.

Audible ist ein zu Amazon gehörender Anbieter von Hörbuch-Downloads, der seit Neuestem auch Podcasts im Programm hat. Für Abonnenten ist die Produktion »West Cork« bis auf Weiteres umsonst zum Download erhältlich.

Ein grausamer Mord, unzählige Ermittlungsfehler und ein (zu?) perfekter Verdächtiger: West Cork kann mehr, als nur die morbide Neugier der Zuhörer befriedigen

In 13 Episoden beschäftigt sich das Ermittlerteam um Fernsehproduzentin Jennifer Forde und Print-Journalist Sam Bungey mit einem bis heute ungeklärten Mordfall aus dem Jahre 1996. Das Opfer, die damals 39jährige Französin Sophie Toscan du Plantier, wurde in der Nähe ihres Ferienhauses im kleinen Ort Schull im abgelegenen West Cork/Irland tot aufgefunden. Sie wurde erschlagen und ihr Leichnam erst am nächsten Morgen von einer Nachbarin an der Zufahrt zu ihrem Haus gefunden. Was danach geschah, gehört in Irland und England zum Allgemeinwissen, denn der Fall machte allein wegen der großen Bekanntheit der Familie von Anfang an Schlagzeilen. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst.

Vorsicht, hohes Suchtpotenzial!

Ein grausamer Mord, unzählige Ermittlungsfehler und ein (zu?) perfekter Verdächtiger: West Cork erzählt eine spannende Geschichte, doch dieser Podcast kann mehr, als nur die morbide Neugier der Zuhörer befriedigen. Die Macher Forde und Bungey haben es sich nicht leicht gemacht, sondern mehrere Jahre akribisch für ihren Podcast recherchiert, und es mit bewundernswertem journalistischem Geschick fertiggebracht, nicht nur diverse Dorfbewohner, sondern vor allem die zentralen Akteure in diesem tragischen Drama vors Mikro zu bekommen: Polizisten, Zeugen, Nachbarn, der Hauptverdächtige und sogar der Sohn des Opfers tragen zu dieser spannenden Produktion bei.

Es begann mit einem Mord

Was zunächst mit dem ungeklärten Mord an Mme Tuscan du Plantier beginnt, entspinnt sich im Verlauf der 13 Episoden zu einem bisweilen unfassbaren Polizei- und Justizskandal, der bis heute Wellen schlägt. Wie bei den bereits erwähnten  Netflix-Dokudramen »The Keepers« und »Making a Murderer« liefert das ungesühnte Verbrechen nur die Initialzündung zu einem Feuerwerk des Absurden. Und wie bei den genannten Serien hat man auch bei »West Cork« zeitweise das Gefühl, es mit einer Matroschkapuppe zu tun zu haben.

Was diesen Podcast für mich aber so besonders hörenswert macht, ist der Umstand, dass Forde und Bungey bei dieser Produktion die wichtigsten Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen und dem Hörer so die Möglichkeit geben, sich ein eigenes Bild zu machen. Diejenigen, die den Podcast bereits kennen, werden wissen, wie faszinierend es ist, der Stimme des Hauptverdächtigen zu lauschen.

Krimiscout ist von dieser Produktion jedenfalls sehr beeindruckt. Ihr auch? Hinterlasst mir doch einen Kommentar.

(c) Andrea O’Brien, 2018


Weiterführende Informationen (Vorsicht: Spoiler – Am besten erst anklicken, wenn man mit dem Podcast fertig ist)

Wikipedia

The Irish Times

Irish Central

Produzentin Jennifer Forde im Gespräch mit  Entertainment Weekly


Bildrechte Beitragsbild: Audible