Thorne Moore wurde in Luton / UK geboren und studierte Geschichte an der Aberystwyth University sowie Jura an der Open University. Sie lebt in Pembrokeshire, der Heimat ihrer Mutter. Pembrokeshire ist auch der Handlungsort ihres ersten Romans A Time for Silence, der 2012 erschien. Ihr aktuelles Buch „Motherlove“ erschien vor Kurzem auf dem britischen Markt.
Thorne Moore im Interview mit Krimiscout
KS: Ist ein Buch erst einmal erschienen, hat der Autor keine Kontrolle mehr darüber. Wie stehen Sie zu dieser These?
TM.: Dem stimme ich voll und ganz zu. Darum geht es doch eigentlich! Man holt eine Geschichte aus seinem tiefsten Inneren an die Oberfläche und lässt so die ganze Welt daran teilhaben. Und ich glaube, ein Buch ist oder sollte zumindest das Produkt einer Zusammenarbeit zwischen dem Autor und seinen Lesern sein. Der Autor bringt Worte zu Papier, aber die Leser interpretieren und bereichern sie mit persönlichen Erfahrungen, Stimmungen, ihrem Geschmack und ihrer Fantasie. Ich nehme an, dass jeder mein Buch auf eine ganz persönliche Art liest und versteht.
„Schreiben ist immer ein Genuss. Erst wenn ich meinen Text zum siebenundsiebzigsten Mal überarbeiten muss, raufe ich mir die Haare.“
KS: Würden Sie sagen, Sie gewinnen mit jedem Buch mehr Selbstvertrauen?
TM: Interessante Frage. Ich habe schon immer geschrieben und meist schreibe ich zunächst einmal für mich selbst– ich schreibe mir ein Buch, das ich lesen möchte, und dabei habe ich natürlich ausreichend Selbstvertrauen. Aber wenn es dann ans Überarbeiten geht und ich darüber nachdenke, was die Leser (und der Verlag, das Lektorat) von mir erwarten, schwindet mein Selbstvertrauen. Ich habe in meinem Leben schon eine Menge Absagen bekommen. Wie Stil und Kürze gehen, weiß ich mittlerweile sehr gut.
KS: Wie gefällt Ihnen das Schreiben als Vollzeitbeschäftigung? Geht es Ihnen manchmal auf die Nerven?
TM: Vom Schreiben in Vollzeit bin ich noch weit entfernt, obwohl ich immer mehr Zeit mit dem Schreiben verbringe. Am liebsten würde ich nichts anderes tun. Schreiben war schon immer meine Leidenschaft, ich wollte mein Leben lang nichts anderes machen. Auf die Nerven geht es mir, wenn ich das Schreiben unterbrechen muss, weil die Arbeit ruft.
KS: Wo schreiben Sie?
TM: Mein Schlafzimmer dient mir auch als Arbeitszimmer. Ich habe mir einen Nachttisch aus dem Krankenhaus gekauft, so einen auf Rollen und einem ausklappbaren Tisch, den man übers Bett ziehen kann – das ist mein Schreibtisch. Tagsüber steht er vor dem Fenster, und ich sitze auf einem gut gepolsterten Schreibtischstuhl davor und schreibe. Aber der weitaus größte Teil meiner Schreibarbeit findet frühmorgens statt. Um sechs Uhr wache ich auf, ziehe mir den Tisch ans Bett, schalte den Laptop ein und lege los. Ich bin eine Lerche, frühmorgens arbeite ich am effektivsten. Meist schreibe ich drei Stunden lang, dann stehe ich auf, ziehe mich an und gehe zur Arbeit. Neben meinem Zimmer befindet sich ein Büro, das ich nutzen könnte, aber dann müsste ich ja aufstehen!
KS: Gibt es einen Mythos über Schriftsteller, den Sie gern entlarven würden?
TM: Hm, lassen Sie mich überlegen. Vermutlich glauben viele Leute, Autoren würden sich in einer Welt voller Literaten bewegen und sich ständig zum Lunch mit anderen Schriftstellern treffen. In Wirklichkeit ist unser Leben erheblich einsamer, vor allem, wenn man, wie ich, weitab vom Schuss wohnt. Doch gelegentlich komme ich mit anderen Autoren zusammen, vor allem jetzt, da meine Bücher einen Verlag haben, und diese Treffen erinnern mich glücklicherweise immer wieder daran, dass ich keine Figur aus einem meiner Bücher bin. Sie reißen mich aus meiner Fantasiewelt.
KS: Wie viel Zeit verbringen Sie täglich mit dem Schreiben? Arbeiten Sie nach einem strengen Zeitplan, oder hängt Ihr Pensum eher von der Tagesform ab? Und wie bringen Sie das Schreiben unter einen Hut mit Familie und Arbeit?
TM: Ich verbringe täglich ungefähr drei Stunden mit dem Schreiben. Ich würde liebend gern länger machen, aber das ist oft nicht möglich. Ich schreibe selten in den Abendstunden, denn am Ende des Tages schaltet mein Hirn regelmäßig auf Ruhemodus. Doch manchmal, wenn mich eine Geschichte gepackt hat – am Ende eines Romans, oder wenn ich gerade ein größeres Problem gelöst habe und alles ganz klar ist, dann schreibe ich auch am Abend.
KS: Macht Ihnen das Schreiben immer Spaß?
TM: Schreiben ist immer ein Genuss. Erst, wenn ich den Text zum siebenundsiebzigsten Mal überarbeiten muss, raufe ich mir die Haare und würde das ganze Projekt am liebsten in die Tonne hauen.
KS: Wie wichtig ist der Ort in Ihren Romanen?
TM: Unglaublich wichtig. Der Ort gibt den Figuren einen Kontext. Es fasziniert mich immer wieder, wie stark Orte die Menschen beeinflussten und prägen – und umgekehrt, wie Orte, vor allem Häuser, den Abdruck der Menschen tragen, die darin gelebt haben. Die Handlung meines Debütromans A Time For Silence ist stark an ein Haus geknüpft, und an das, was dort geschah, daher kann man wohl behaupten, der Ort spiele in diesem Roman die Hauptrolle. Im zweiten Roman steht kein einzelner Ort im Vordergrund, aber alle Figuren werden von ihren Wohnorten und ihrer Umwelt beeinflusst und geprägt.
„Der Ort gibt den Figuren einen Kontext“
KS: Welche Geschichten oder Autoren haben Sie beeinflusst?
TM: Ich bin sicher, dass jeder Autor, den ich je gelesen habe, auch einen Einfluss auf mich hatte: Jane Austen, Iris Murdoch, Barbara Vine, John le Carré, Kate Atkinson… Wahrscheinlich wird man als Leser von fast jedem Autor und jeder Geschichte beeinflusst. Ich habe nie versucht oder auch nur in Erwägung gezogen, irgendeinen von ihnen nachzuahmen, aber wer kann das schon völlig ausschließen? Meist inspirieren mich Geschichten, die nicht in irgendwelchen Büchern stehen, sondern in der Zeitung oder im Fernsehen veröffentlicht werden. Es reichen schon ein paar Zeilen über eine bestimmte Begebenheit und mein Hirn fängt an zu rattern: Was ist wohl im Vorfeld passiert? Wie würde ich mich in dieser Situation fühlen? Was steckt hinter den nackten Tatsachen? Was ist danach passiert?
KS: Was kommt als Nächstes?
TM: Ich habe ein weiteres Buch geschrieben, das in einem alten Herrenhaus hier in Pembrokeshire spielt und hoffentlich nächstes Jahr erscheinen wird. Ein zweites Buch, das vermutlich im darauffolgenden Jahr erscheint, spielt an dem Ort, an dem ich meine Kindheit verbracht habe. Bei dieser Geschichte habe ich mich schamlos bei meinen Kindheitserinnerungen bedient. Und ein dritter Roman, den ich noch einmal neu schreibe, spielt ebenfalls hier in Pembrokeshire. Was dann kommt, wird sich zeigen. Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch!
Krimiscout bedankt sich für die interessanten Antworten und wünscht Thorne Moore viel Erfolg!
Dt. Übersetzung: Andrea O’Brien
© Krimiscout 2015
Bildnachweis
Beitragsbild: © Krimiscout 2015
Alle Bilder im Text:
© Thorne Moore, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Krimiscout Service
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