Laura McHugh wuchs in den Ozarks auf, eine tief zerschnittene Hochebene, die sich über den nordwestlichen und zentralen nördlichen Teil von Arkansas (USA) erstreckt. Diese Region spielt in McHughs Debüt »The Weight of Blood« eine zentrale Rolle. Die Autorin lebt heute mit ihrem Mann und zwei Kindern in Columbia, Missouri. Laura McHughs Debüt erschien bereits 2014 in der Hardcover-Ausabe bei Spiegel & Grau und wurde innerhalb kürzester Zeit zum Besteller. 


Laura McHugh im Interview mit Krimiscout

KS: Ist ein Buch erst einmal erschienen, hat der Autor keine Kontrolle mehr darüber. Wie stehen Sie zu dieser These?

LM: Wenn so ein Roman erscheint, ist das erst mal ziemlich furchterregend, vor allem, wenn man feststellt, wer die Leser sind. Die Lehrer der Kinder, der Babysitter,  die Schwiegermutter, sogar der Gemeindepfarrer! Damals fühlte ich mich ziemlich exponiert. Aber irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt. Man hat ohnehin keine Kontrolle über das, was andere über die eigene Arbeit denken, wie sie sie interpretieren. Das Thema meines Romans hat manche Leser richtig aufgebracht, und zwar aus Gründen, die ich nicht vorausgeahnt hatte. Nicht jeder sieht die Dinge mit demselben Blick wie man selbst,  damit muss man sich einfach abfinden – sonst macht man sich verrückt.

KS: Würden Sie sagen, Sie gewinnen mit jedem Buch mehr Selbstvertrauen?

LM (überlegt): Jein. Nachdem ich den gesamten Prozess einmal durchlaufen hatte, flößte er mir beim zweiten Mal nicht mehr ganz so viel Furcht ein. Außerdem fällt es mir zunehmend leichter, bei Lesungen, Konferenzen, Diskussionen, Interviews oder Buchvorstellungen auf der Bühne zu stehen. Als ich mein zweites Buch begann, beschlich mich allerdings dieselbe Angst, die ich schon beim ersten Mal hatte: Würde es mir gelingen? Ich weiß nicht, ob man die Angst vor dem leeren Blatt jemals verliert.

‚‚Es gibt immer wieder schlechte Tage, an denen mir das Schreiben einfach nicht von der Hand gehen will, trotzdem gibt es nichts, was ich lieber täte“

KS: Wie gefällt Ihnen das Schreiben als Vollzeitbeschäftigung? Geht es Ihnen manchmal auf die Nerven?

LM: Ich bin dankbar, hauptberuflich als Autorin arbeiten zu können. Vorher war ich zehn Jahre bei einem Softwareunternehmen beschäftigt,  daher bin ich es gewohnt, den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Computerbildschirm zu starren. Allerdings finde ich Geschichten zu schreiben erheblich spannender als Software für Versicherungsunternehmen zu entwickeln. Dennoch fühlt man sich als Freiberufler manchmal ein bisschen isoliert, aber ich habe einen Hund und eine Katze, die mir Gesellschaft leisten. Nachmittags kommen meine Kinder aus der Schule, da lege ich eine längere Pause ein. Wenn sie dann im Bett sind, arbeite ich weiter. Es gibt immer wieder schlechte Tage, an denen mir das Schreiben einfach nicht von der Hand gehen will, trotzdem gibt es nichts, was ich lieber täte.

KSWo schreiben Sie?

Arbeitszimmer von Laura McHugh, Autorin des Thrillers ‚The Weight of Blood"

Schreiben in der Komfortzone – Laura McHughs ‚Arbeitsecke“

LM: Ich habe eine kleine ‚Arbeitsecke“ im dritten Stock mit Blick auf unseren Garten. Im Winter, wenn die Bäume kein Laub mehr tragen, kann ich sogar den Missouri River sehen. Ich habe mir diese Ecke ausgesucht, weil ich dachte, es sei hell und ruhig hier oben. Leider ist es oft zu hell, sodass ich das Fenster verhängen muss, und ruhig ist es auch nicht, weil ich nämlich keine Tür habe und alles mitbekomme, was unten so los ist. Ich habe einen großen, weichen Sessel, ein paar Regale mit Büchern und einen Couchtisch, aber der ist meist voller Bücher, Hefte, Manuskriptstapel und Kaffeebecher.

‚‚Wenn mich meine Leser persönlich kennenlernen, sind sie manchmal erstaunt, dass ich so nett und fröhlich bin. Sie hatten wohl eine düstere, melancholische Person erwartet.‘‘

KS: Gibt es einen Mythos über Schriftsteller, den Sie gern entlarven würden?

LM: Einen Mythos über Schriftsteller? Vielleicht, dass sie so sind wie ihre Bücher? Wenn mich meine Leser persönlich kennenlernen, sind sie manchmal erstaunt, dass ich so nett und fröhlich bin. Sie hatten wohl eine düstere, melancholische Person erwartet.

KS: Wie viel Zeit verbringen Sie täglich mit dem Schreiben? Arbeiten Sie nach einem strengen Zeitplan, oder hängt Ihr Pensum eher von der Tagesform ab? 

LM: Das ist immer unterschiedlich. Als mit der Arbeit an »The Weight of Blood« begann, hatte ich gerade meinen Job verloren und kümmerte mich zu Hause um meine beiden Töchter und mein jüngstes Kind, damals gerade erst ein paar Monate alt. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, jeden Tag mindestens zwei Seiten zu schreiben, aber häufig schaffte ich nicht mal die. Es gab auch Tage, an denen hätte ich weit mehr als zwei Seiten schreiben können, wenn ich nur genug Zeit gefunden hätte, aber kleine Kinder brauchen viel Zuwendung, das wissen wir alle, und da kam ich eben manchmal einfach nicht dazu. Mittlerweile schreibe ich, wenn meine Töchter in der Schule sind. Und wenn ich einen Abgabetermin habe, arbeite ich sogar nachts, wenn alle schlafen. In den frühen Morgenstunden bin ich am produktivsten, weil dann keiner E-Mails schreibt, anruft oder mich besucht. Wenn ich abends zu Lesungen muss, kümmert sich mein Mann um die Kinder, aber manchmal wird er zu einem Einsatz gerufen, dann muss er die Mädchen mitnehmen. Wenn ich reise, brauche ich jemanden, der bei uns übernachtet, denn mein Mann arbeitet auch nachts.

KS: Macht Ihnen das Schreiben immer Spaß?

‚‚Am besten schönsten finde ich die Phase, wenn das Buch ganz fertig ist, denn dann kann man eine Weile herumsitzen und sich das nächste ausdenken.‘‘

LM (verzieht das Gesicht): Nein. Wenn es fließt, ist es toll, aber wenn nicht, ist es die reinste Qual. Am besten finde ich die Phase, wenn das Buch fertig ist, denn dann kann man eine Weile herumsitzen und sich das nächste ausdenken.

KS: Wie wichtig ist der Ort in Ihren Romanen?

LM: Sehr wichtig. Ausgangspunkt meines Romans »The Weight of Blood« war der Ort, ich hatte weder Figuren noch eine konkrete Handlung im Kopf. Die Geschichte ist also sozusagen aus dem Ort erwachsen. Über die Ozarks wollte ich schon immer schreiben, denn dort bin ich aufgewachsen. Diese Region ist einzigartig. Ich wollte den Lesern die düstere Schönheit der Landschaft nahebringen, das feuchtwarme Klima, die unverwechselbare Lebensart in einem abgelegenen Ort in den Bergen. Mein zweiter Roman Arrowood spielt in einem kleinen, heruntergekommenen Ort am Mississippi, wo Menschen in verfallenden Prachtbauten wohnen.

KS: Welche Geschichten oder Autoren haben Sie beeinflusst?

Ein Interview mit Laura McHugh

Bücher als Inspirationsquelle

LM: Der Roman »Twisted Tree« von Kent Meyers, in dem mehrere Personen eines Dorfes die Geschichte vom Mord an einem jungen Mädchen erzählen. Einen großen Einfluss auf meine Romane hatten außerdem die großen Schriftsteller des Southern Gothic wie William Faulkner und Flannery O’Connor. Als Jugendliche habe ich viel düstere Literatur und Horrorromane wie die von Shirley Jackson und Stephen King gelesen.

KS: Was kommt als Nächstes?

LM: Mein zweiter Roman Arrowood spielt auch im mittleren Westen der USA. Er handelt von einer jungen Frau namens Arden Arrowood, die als kleines Mädchen mitansehen musste, wie ihre beiden Schwestern aus dem Garten ihres Hause entführt wurden. Als sie zwanzig Jahre später in ihre Heimatstadt zurückkehrt und erfährt, dass das, was zu sehen geglaubt hatte, ein Irrtum war, beschließt sie, das Rätsel um ihre verschwundenen Schwestern auf eigene Faust zu lösen.

Krimiscout bedankt sich für die interessanten Antworten und wünscht Laura McHugh viel Erfolg!

Dt. Übersetzung: Andrea O’Brien

© Krimiscout 2015

Bildnachweis

Beitragsbild © Taisia Gordon

Bild 1 © Laura McHugh (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin)

Bild 2 © Laura McHugh (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin)


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