Im atmosphärisch dichten Debütroman »Idaho« beschreibt Autorin Emily Ruskovich mit beeindruckend poetischer Sprache die Konsequenzen einer entsetzlichen Tat. Düster-verstörend und bezaubernd-lyrisch zugleich erzählt dieser Erstling von Grausamkeit, Liebe, Verlust, Trauer und Vergebung.

Irgendwo in Idaho

Eine junge Frau sitzt in einem rostigen Pickup und spürt der Vergangenheit nach. Es riecht. Ein saurer Gestank. Auf der Rückbank dieses Wagens geschah ein entsetzliches Verbrechen. Die junge Frau heißt Ann. Zusammen mit ihrem Mann Wade lebt die Musiklehrerin auf einem Berg in der Wildnis von Idaho. Doch hier ist nichts idyllisch. Wade trägt an einer grausamen Last. Wie sein Großvater und Vater zuvor leidet auch er unter Frühdemenz. Es gibt gute und schlechte Tage, doch wenn Wades Krankheit das Ruder übernimmt, benimmt er sich völlig irrational, demütigt seine Frau, verletzt sie.

Wie lange bleibt Ann noch, bevor Wade komplett die Erinnerung verliert?

Trotz dieser Ausfälle verlässt Ann ihn nicht, sondern erträgt seine Unberechenbarkeit. Wie lange bleibt ihr noch, um hinter die Umstände des schrecklichen Verbrechens in seiner Vergangenheit zu kommen, bevor Wade komplett die Erinnerung verliert? Was wie ein konventioneller Thriller beginnt, entspinnt sich schon bald zu einer lyrischen Auseinandersetzung mit den Spielarten der Liebe, Trauer und Vergebung.

Eine entsetzliche Tat

Rückblende: Wade und Jenny Mitchell haben ihren beiden Töchtern May und June auf einem einsamen Berg inmitten idyllischer Natur ein Heim geschaffen. An einem völlig normalen Sommertag fährt die Familie zum Holzsammeln in den Wald. Doch an jenem Tag geschieht ein grausames Verbrechen. Von einer Sekunde auf die andere ist nichts mehr so, wie es mal war. Die Familie ist auf drastische Weise zerstört, und Jenny landet im Gefängnis.

Ein Verbrechen, so zerstörerisch wie ein Erdbeben, das noch Jahre später Schockwellen aussendet

Die Ereignisse jenes Sommertags bilden den Dreh- und Angelpunkt des Romans, erschütternd und zerstörend wie ein Erdbeben, das noch Jahre später Schockwellen aussendet.

Idaho: Ort und Seelenlandschaft

Laut einer im RoBild 1 Besprechung Idahoman geschilderten Erklärung bedeutet der Name Idaho frei übersetzt »Komm zurück zu mir«. Idaho bezeichnet nicht nur einen Ort, sondern auch die Seelenlandschaft der Protagonisten.

Mit seiner wilden Einsamkeit, menschenleeren Weite und rauen Natur ist Idaho das perfekte Setting für diesen Roman. Reich an Aphorismen, Allegorien und mythologischen Bezügen erlangt die Geschichte einer zerstörten Familie dank Emily Ruskovichs schriftstellerischen Talents universelle Bedeutung.

Lesegenuss auf höchstem Niveau

Wie in einem Mosaik setzt die Autorin ihre Erzählung aus mehreren Fragmenten zusammen, die aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert und zeitlich versetzt angeordnet sind. Diese wie Kurzgeschichten in sich abgeschlossenen, aber dennoch durch den übergeordneten Zusammenhang miteinander verbundenen Episoden vermitteln dem Leser einen intensiven Einblick in die Innenwelt des jeweiligen Erzählers.

Schillernde Passagen, fein gewobene Traumbilder und nachgerade synästhetische Sinneserfahrungen – ein Spannungsroman für geduldige Genießer

Immer wieder beglückt uns Ruskovich mit schillernden Passagen, fein gewobenen Traumbildern, poetischen Naturschilderungen und nachgerade synästhetischen Sinneserfahrungen am Rand des Stream-of-Consciousness, die diesen Roman in die Nähe der lyrischen Dichtung rücken.

Dieser besondere Duktus verleiht dem Roman seine einzigartige Ausstrahlung und macht ihn zu einem unvergesslichen Lesegenuss auf höchstem literarischen Niveau.

Fazit: »Idaho« ist ein Spannungsroman für geduldige Genießer. Fans von harten, schnellen Thriller-Plots werden mit diesem Roman sicher nicht glücklich.


»Idaho« ist soeben der deutschen Übersetzung von Stefanie Jacobs bei Hanser Berlin erschienen. Ein exklusives Interview mit der Übersetzerin lesen Sie hier beim Krimiscout.

Die Autorin

Emily Ruskovich wuchs auf Hoodoo Mountain in Idaho/USA auf. Ihre Erzählungen wurden in den  Literaturmagazinen Zoetrope und Virginia Quarterly Review  veröffentlicht. 2015 erhielt Ruskovich den O.Henry Award. »Idaho« ist ihr erster Roman. Ruskovich unterrichtet Creative Writing an der University of Colorado Denver.

»Idaho« erscheint voraussichtlich am 3. Januar 2017 bei Random House.

Buchinfo

Titel: Idaho
Format: Gebundene Ausgabe
Verlag und Erscheinungsjahr: Random House, voraussichtlich 3.Januar 2017
Seiten: 320


UPDATE: Dieser Roman ist 2018 unter dem deutschen Titel »Idaho« (dt. von Stefanie Jacobs) beim Carl Hanser Verlag erschienen


Weiterführende Informationen

Autoreninformation

Emily Ruskovichs Homepage


Bildinformation

Beitragsbild: (c) Roger Hampton, 2016. Mit freundlicher Genehmigung des Fotografen

Bild 1: (c) Andrea O’Brien 2016


Krimiscout dankt Netgalley für die freundliche Bereitstellung dieses Titels.