Trommelwirbel und Tusch – Der Krimiscout startet eine neue Reihe: Im Seziersaal – Deutsche Krimiautoren unterm Messer. Und den Auftakt macht niemand anderer als Oliver Bottini, gerade erst mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Das hat den sympathischen Autor aber nicht davon abgehalten, sich ins forensische Labor des Krimiscouts zu begeben. Und hier ist das Ergebnis.
Oliver Bottini unterm Messer
KS: Herzlich willkommen im Seziersaal, Herr Bottini. Woraus bestand Ihre letzte Mahlzeit?
OB: Aus einem klassischen Müsli mit Banane, die Verfehlungen des Wochenendes müssen gebüßt werden. Dazu Zitronengrastee, der Kaffee kommt erst später.
KS: Da wir das geklärt haben, geht’s nun an die Eingeweide…ähm, ans Eingemachte. Sie sind Krimiautor. Wie kam es dazu?
OB: Eine befreundete Lektorin, für die ich 2001 ein Zen-Sachbuch geschrieben habe, hat kurze Zeit später darüber sinniert, ob man nicht Zen-Buddhismus und Verbrechen in einem Roman miteinander verknüpfen könnte – ein Zen-Kloster in Japan, ein Mönch ermordet … Sie hat gefragt, ob ich das nicht mal versuchen wolle, und daraufhin habe ich ein paar Probekapitel geschrieben. Das Kloster kam ins Elsass, der japanische Zen-Mönch wandert lebend durch den verschneiten Schwarzwald bei Freiburg, und die Ermittlerin ist eine alkoholkranke Kommissarin mit deutsch-französischem Hintergrund. So hatte die Freundin sich das nicht vorgestellt, aber es hat ihr gefallen, und ich bekam einen Vertrag. Auf diese Weise entstand »Mord im Zeichen des Zen“.
KS: Es gibt eine Menge Klischees über das Leben und den beruflichen Alltag eines Schriftstellers. Wie sieht es bei Ihnen aus? Schampus und Kaviar? Oder eher Weltschmerz und Schreibblockade?
OB: Keines von beidem. Viel Struktur, gut organisierte Arbeit, garniert allerdings mit dauerhaftem Zweifeln und Ringen. Morgens auch gern erst mal für eine halbe Stunde ins Café, die Energie des frühen Tages draußen fasziniert mich.
KS: Und wie kommen Sie zu Ihren Motiven?
OB: In der Regel durch Zeitungslektüre, sei es auf Papier oder im Netz. Unfassbares, was geschieht und einfach hingenommen wird. Oder einseitige Berichterstattung, bei der man das Gefühl hat, die andere Seite fehlt doch. Die erzähle ich dann gern.
KS: Ihre Romane sind mehr als spannende Kriminalgeschichten. Es handelt sich dabei um vielschichtige, politische Stoffe, die sich wie in Ihrem aktuellen und preisgekrönten Roman »Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens« mit aktuellen, aber nicht unbedingt breit in den Medien diskutierten Themen auseinandersetzen – der Landraub in Rumänien zum Beispiel. Ist Ihnen Politik ein großes Anliegen? Und wieso verhandeln Sie diese Themen im Kriminalroman?
OB: Politik im weitesten Sinne, ja. Krimis, in denen es nur um den Millionsten Mord und die immergleiche Aufklärung mit den immergleichen Schauplätzen geht, erzählt mit den immergleichen Versatzstücken in einer wenig elaborierten Sprache, interessieren mich weder als Leser noch als Autor. Es muss schon mehr sein.
Krimis, in denen es nur um den Millionsten Mord und die immergleiche Aufklärung mit den immergleichen Schauplätzen geht, erzählt mit den immergleichen Versatzstücken in einer wenig elaborierten Sprache, interessieren mich weder als Leser noch als Autor.
Ambitionierte Literatur, die etwas wagt, sich um den rechten Stil bemüht, um vielschichtige Charaktere, um Themen, die nicht auf der alltäglichen Agenda stehen. Romane, die Widerstand leisten gegen die Nivellierung des Erzählens, aber auch gegen die immer größer werdende Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber eklatanten Missständen.
KS: Haben Sie zu Beginn Ihrer Karriere und auch zwischendrin mal daran gedacht, ein anderes Genre zu versuchen? Oder war von Anfang an klar, dass es Krimis sein müssen?
OB: Ich habe mit 14 angefangen zu schreiben und lange keine Krimis, sondern Gedichte, Kurzgeschichten, die meine damaligen literarischen Heiligen Jack Kerouac, Gabriel Garcìa Màrquez und so weiter imitiert haben, ausufernde Romane, Theaterstücke und ich weiß nicht, was. Später haben sich dann durchaus immer wieder Tote, Rätsel oder Verbrechen in meine Texte geschlichen. Aber bis zu dem besagten Gespräch mit der befreundeten Lektorin habe ich eigentlich nicht daran gedacht, reine Kriminalromane zu schreiben. Umso lieber tue ich es seitdem.
KS: Lesen Sie eigentlich selbst gern Krimis? Welche?
Grundsätzlich lese ich Krimis gern, aber mir gefallen mittlerweile nur noch wenige – also lese ich auch nur noch wenige ganz. Große Leseerlebnisse waren für mich vor Jahren Don Winslows »Tage der Toten« und Pete Temples »Wahrheit«. Die Romane von Jan Costin Wagner, Merle Kröger und Friedrich Ani mag ich, dann James Lee Burke und Martin Cruz Smith. Spaß gemacht hat in letzter Zeit auch Kerstin Ehmers »Der weiße Affe«. Toll war vor Ewigkeiten »Die Höhle der Löwin« von Astrid Paprotta, die leider gar keine Romane mehr schreibt.
Mit literarischen Romanen geht es mir übrigens seit einer Weile ähnlich – wenig kann mich noch begeistern. Woran das liegt, weiß ich nicht. Überfluss? Überdruss? Bin ich alt geworden? Befasse ich mich als Autor schlicht zu viel mit der Produktion von Text, dem Handwerk des Schreibens, und kann mich deshalb nicht mehr so bereitwillig hinreißen lassen wie früher? Im Moment lese ich Fallada, »Kleiner Mann – was nun?«, mit Vergnügen, aber die Nacht würde ich mit diesem Buch nicht verbringen wie früher mit Christoph Ransmayrs »Die letzte Welt« und »Die Schrecken des Eises und der Finsternis«, mit García Márquez, dem jüngeren Don DeLillo und meinen anderen literarischen »Helden«.
Oft scheitere ich – verzeih, wenn ich das ungefragt so pauschal erkläre – an der Übersetzung. Kürzlich habe ich es mit Michael Chabon versucht … Zwei Seiten, dann noch mal zwei mittendrin zum Test, dann habe ich den Roman weggelegt. Keine Fehler, vermutlich, aber wenn man alle paar Sätze lang ins Original schauen möchte oder dauernd die Wortwahl hinterfragt, stimmt mit der Übersetzung etwas nicht. Großartig übersetzt fand ich dagegen »Alles Licht, das man nicht sieht« von Anthony Doerr (Werner Löcher-Lawrence), aber der Roman gerät wiederum zu lange nicht so richtig in Fahrt … Wie auch immer: Jahr für Jahr finden sich Perlen, sei es Martin Kordic‘ »Wie ich mir das Glück vorstelle« oder Mariana Lekys »Was man von hier aus sehen kann« (das aber ein bisschen harmlos ist). Es lohnt sich also zu suchen!
KS: Was kommt als Nächstes?
OB: Das mag ich noch nicht verraten. 😉
Krimiscout bedankt sich bei Oliver Bottini und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg!
(c) Andrea O’Brien, 2018
Bildrechte
Beitragsbild: Oliver Bottini, (c) Hans Scherhaufer
Bild 1: Arbeitsplatz des Autors, Oliver Bottini (mit freundlicher Genehmigung)