Nicola Whites Debütroman In the Rosary Garden schockiert seine Leser schon auf den ersten Seiten mit einem grausamen Verbrechen. Im Garten einer Klosterschule stoßen zwei ehemalige Schülerinnen auf die Leiche eines Neugeborenen. 

Schnell stellt sich heraus, dass der wenige Tage alte Säugling ermordet wurde. Doch was nach einem einfachen Fall aussieht, entpuppt sich schnell als komplexe Familientragödie, die weit in die Vergangenheit zurückreicht.

,,Die Augen des Kindes waren geschlossen, die Stirn wirkte glatt und entspannt, doch hinter den geöffneten, spröden Lippen lag schreckliche Finsternis“

(Nicola White, In the Rosary Garden)

Dublin, 1984: Die achtzehnjährige Ali Hogan stößt im Garten einer Klosterschule auf den Leichnam eines Neugeborenen. Eine rasch herbeigerufene Nonne nimmt sich des toten Babys an und alarmiert die Polizei. Doch schon bald geraten die Untersuchungen am Fundort ins Stocken, denn die Ordensfrauen hüllen sich in Schweigen und verweigern jegliche Zusammenarbeit.

Der in dem Fall ermittelnde Inspektor Vincent Swan lässt sich nicht abschütteln. Hartnäckig geht er seiner Arbeit nach – und stößt schließlich auf einige Ungereimtheiten. Vor allem die Aussagen der Zeugin widersprechen den am Tatort gefundenen Spuren. Während Ali Hogan durch ihren Fund unfreiwillig ins Rampenlicht der Medien gerät, verdichten sich die Hinweise darauf, dass die junge Frau in die Tat verwickelt sein könnte. Bei Ali weckt das traumatische Erlebnis Erinnerungen an ein bestimmtes Weihnachtsfest im Haus ihrer Tante, wo sie als kleines Mädchen schon einmal ein totes Baby fand.

Zunehmend eingeschüchtert von Polizei und Medienrummel beschließt Ali, bei ebenjener Tante und dem attraktiven Onkel auf dem Land zur Ruhe zu kommen. Nach und nach kehren auch ihre Erinnerungen an den Abend zurück, als sie in einem Puppenkarton die Leiche eines frisch entbundenen Säuglings entdeckte…

Wo sich Vergangenheit und Gegenwart berühren

In the Rosary Garden

Autorin Nicola White, die mit ihrem Debütroman In The Rosary Garden den renommierten Dundee International Book Prize gewann, konfrontiert ihre Leser mit schwer verdaulicher Kost. Das Delikt des Infantizids ist ein traditionelles literarisches Motiv. White benutzt es, um die im Irland der Achtzigerjahre grassierende, unreflektierte Misogynie anzuprangern, die sich vor allem vor dem Hintergrund des sogenannten „Kerry Babies Tribunal“ in der irischen Gesellschaft und Medienlandschaft ungehindert Bahn brach: Im Jahre 1985 fand die irische Polizei zwei tote Säuglinge, die zur gleichen Zeit, aber an unterschiedlichen Orten abgelegt worden waren. Rasch verhaftete man eine junge Frau, die unter Druck den Mord an beiden Kindern gestand, obwohl alle Beweise dagegen sprachen. Dieser skandalöse Fall gilt noch heute als Beispiel für den schonungslosen Umgang der Gesellschaft, Polizei und Medien mit ledigen Müttern im Irland der Achtziger- und Neunzigerjahre.

Wo Frauen schweigen lernen

In the Rosary Garden, Besprechung des Romans von Nicola White

Die Kirche in Irland: Institution der Macht

In einer Zeit, wo unverheiratete Frauen vor allem im ländlichen Irland keinen Zugang zu Verhütungsmitteln hatten, waren ungewollte Schwangerschaften an der Tagesordnung. Noch in den Achtzigerjahren wurden unschuldige Frauen in sogenannten Magdalenenheimen gezwungen, auf grausame Art Abbitte zu leisten.  Nicola White siedelte ihren Roman bewusst in dieser Zeit an, allerdings wird sie nie polemisch oder moralisierend. Klug und mit lakonischer Sprache schildert sie stattdessen die zunehmend unerträgliche Situation der jungen Ali Hogan, die der unkontrollierten Bigotterie der gegen sie ermittelnden Mächte hoffnungslos ausgeliefert ist. Der Leser erhält so einen eindringlichen Einblick in eine streng patriarchalische, von den Dogmen einer mächtigen Kirche geprägten Gesellschaft.

Gehobene Krimikost mit frischen Zutaten

Nicola White gelingt mit ihrem Debüt eine für den Liebhaber gehobener Krimiunterhaltung erfreuliche Mischung: In The Rosary Garden ist ein literarischer Roman mit psychologischen Spannungselementen. Als Autorin mehrerer Kurzgeschichten ist White Expertin für einen verknappten, eindringlichen Erzählstil. Ihr Debüt zeichnet sich eine unverkrampfte Sprache, starke Szenen und komplexe Figurenzeichnungen aus. Der Roman hebt sich angenehm von konventionellen Krimis ab, denn er entfaltet seine erzählerische Kraft weniger durch die Handlung („plot-driven“) als vielmehr durch die Entwicklung der Figuren („character-driven“).

Die Autorin

Nicola White, die ihre Kindheit in Dublin und ihre Jugend in New York verbrachte, lebt heute in der Nähe von Glasgow. Nach ihrem Studium am Trinity College in Dublin arbeitete White zunächst als Kuratorin für zeitgenössische Kunst in Glasgow und produzierte später diverse Sendungen über Kunst für die BBC. Viele ihrer Kurzgeschichten wurden bereits in bekannten Publikationen veröffentlicht. In The Rosary Garden ist Nicola Whites erster Roman,  mit dem sie 2013 den Dundee International Book Prize gewann.

© Krimiscout 2015

Buchinfo

Titel: In The Rosary Garden
Format: Taschenbuch
Verlag und Erscheinungsjahr: Cargo Publishing, 2013
Seiten: 324

Weiterführende Informationen

Nicola White bei Bloody Scotland

Kontakt für Verlage

Freight Books
49/53 Virginia Street
Glasgow G1 1TS

Phone: 0141 552 5303


Ein Interview mit Nicola White lesen Sie hier.


Bildnachweis

Beitragsbild, Bild 1, 2 und 3  © Andrea O’Brien