…wie sind Sie eigentlich zum Übersetzen gekommen?
Im Vergleich zu vielen KollegInnen ziemlich geradlinig: Ich habe in Düsseldorf Literaturübersetzen für die Sprachen Englisch und Französisch studiert, damals noch ein Diplomstudiengang, und schon während des Studiums an ersten Aufträgen gearbeitet.
Sprachen lagen mir schon immer, und als meine Englischlehrerin in der Schule irgendwann auf meine Bitte, mir ein bisschen aus dem Booklet meiner Lieblings-ABBA-Kassette zu übersetzen, nur antwortete, das sei zu schwer und überhaupt, so gut könne man eine Fremdsprache als Normalsterblicher nun auch nicht lernen, dass es zum Übersetzen von Songtexten reicht (schlechte Ausrede), war bei mir ein gewisser Ehrgeiz geweckt. Da muss ich elf gewesen sein. Mit vierzehn wagte ich die Premiere und übersetzte – tadaa!! – Songtexte, als Geburtstagsgeschenk für meine Mutter. Natürlich alles vor dem Kassettenrekorder selbst rausgehört, Play – Pause – kritzel kratzel – Play – Pause – etc. pp. Gut, das »cold war kid in McCarthy time« aus Billy Joels »Leningrad« wurde zum »cold war kid in the coffee time«, und direkt druckreif waren die deutschen Fassungen auch noch nicht, aber es machte großen Spaß. Und warf so einige Fragen auf. »She’s catching the nine o’clock train« – »Sie fängt gerade den Neun-Uhr-Zug«? Hm …
Aber einen Umweg gab es schon, denn nach dem Abi führte mich spätpubertätsbedingte Planlosigkeit erst einmal auf den Irrweg einer Ausbildung zur Bankkauffrau (bei welcher Bank, traue ich mich gar nicht zu schreiben), aber im zweiten und Gott sei Dank letzten Ausbildungsjahr erfuhr ich dann vom Studiengang Literaturübersetzen und wusste sofort, das ist meins. Nochmal Glück gehabt!
Und wie speziell zu Krimis?
Ich übersetze eigentlich nur gelegentlich Krimis, und dann auch nicht die klassischen, sondern eher solche mit besonderen Themen. Meine zweite Übersetzung überhaupt war ein historischer Krimi, »Zugzwang« von Ronan Bennett (Bloomsbury Berlin), in dem sich eine Schachpartie durch den ganzen Roman zieht und in gewisser Weise eine Parallele zur Handlung bildet. Oder, ganz aktuell und zusammen mit meiner Kollegin Alexandra Baisch, »Vintage« von Grégoire Hervier (Diogenes), in dem nicht ein Mörder gesucht wird, sondern eine legendäre Gibson-Gitarre, die womöglich nie existiert hat. Spannend wie – ja, eben ein Krimi.
Was – würden Sie sagen – sind die Herausforderungen beim Übersetzen von Spannungsliteratur?
Ich würde sagen, dass die sich gar nicht so sehr von denen beim Übersetzen anderer Literatur unterscheiden. Grundsätzlich finde ich es wichtig, möglichst treffsicher zu erkennen, was der Clou eines Satzes (Absatzes, Kapitels, …) ist: Worauf steuert alles zu? Was muss, inhaltlich wie sprachlich, unbedingt ins Deutsche transportiert werden?
Beim klassischen Krimi wird das sicher öfter ein inhaltliches Element als ein besonderes sprachliches Bild oder eine Formulierung mit einer auffälligen klanglichen Gestaltung sein, aber andererseits greift das alles ja ineinander. Etwa, wenn eine Figur vor allem oder ausschließlich dadurch charakterisiert wird, wie sie spricht, was in Krimis ja oft vorkommt.
Grundsätzlich finde ich es wichtig, möglichst treffsicher zu erkennen, was der Clou eines Satzes (Absatzes, Kapitels, …) ist: Worauf steuert alles zu? Was muss, inhaltlich wie sprachlich, unbedingt ins Deutsche transportiert werden?
Für alle Genres gilt: Eine gute Übersetzung entsteht nie »mal so eben.«
Was haben Sie speziell bei der Arbeit an »Idaho« als besonders schwierig erlebt?
Emily Ruskovich ist es in diesem Buch gelungen, mit einer sehr reduzierten, auf den ersten Blick unauffälligen Sprache eine ungeheure atmosphärische Dichte und Spannung zu erzeugen – diese Wirkung muss auf Deutsch natürlich genau so reproduziert werden. Ein Wort wie »reproduziert« übrigens hätte ich in dieser Übersetzung als Fremdkörper empfunden, nicht etwa, weil sämtliche Figuren inklusive Erzähler zu ungebildet wären, sondern weil es dem schlichten und klaren Ton des Originals nicht gerecht geworden wäre.
Außerdem ist Ruskovich eine Meisterin darin, das Innenleben ihrer Figuren in den Landschaften und in der Natur um sie herum abzubilden. Nicht in dem Sinne, dass es regnet, wenn gerade irgendetwas Schlimmes passiert; Ruskovich macht das viel subtiler, lässt Stimmungen ganz leise anklingen und arbeitet mit beinahe synästhetischen Eindrücken. Darauf muss man sich einlassen, und dann kommt es aufs Dosieren an.
Übrigens betrachte ich »Idaho« im Grunde nicht als Krimi, auch wenn der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ein grauenhafter Mord ist. Emily Ruskovich erzählt vielmehr über den Umgang mit Schuld, über Gnade und vergebende Liebe.
Welcher Titel aus Ihrem Oeuvre hat ihnen besonders viel Freude bereitet? Warum?
O je, wo soll ich anfangen? Vielleicht bei Miranda July, »Der erste fiese Typ« (Kiepenheuer & Witsch). Das ist so ein Buch, das in keine Schublade passt und mich ziemlich umgehauen hat mit den unerwarteten Wendungen und der skurrilen Gedankenwelt. Das Schöne ist ja: Als Übersetzer bekommt man Bücher oft, bevor die ganze Vermarktungsmaschinerie angelaufen ist, kennt noch keine Klappentexte, keine Blurbs und nichts, dann kann einen so ein Text beim ersten Lesen mit voller Wucht erwischen. Herrlich!
Lauren Groffs »Licht und Zorn« (Hanser Berlin) mochte ich auch sehr, weil der Roman so scharfsinnig und abgründig ist; ich hatte ein Faible für den kruden Henker aus Rajesh Parameswarans Story-Sammlung »Ich bin Henker« (Kiepenheuer & Witsch), weil ich ihm so schräge Sachen in den Mund legen durfte wie: »Bitte nicht denken, ich wäre Groberjahn!« »Für meine Ohren die Margaret-Stimme war wie kleine Schachtel in rosa Wickelpapier«, und ich bin auch hellauf begeistert von meinem aktuellen Buch, Elizabeth McKenzies »The Portable Veblen« (Dumont), das sich um eine verträumte Übersetzerin in selbstgenähten Sachen, einen von Kopf bis Fuß bei Brooks Brothers eingekleideten Hirnforscher und ein Eichhörnchen dreht, das die beiden verfolgt und ihre Beziehung kommentiert.
Gibt es Titel und/oder Autoren aus dem Bereich Spannung, die Ihrer Meinung nach unbedingt noch für den deutschen Markt übersetzt werden sollten?
Da muss ich leider passen – ich habe einfach nicht genug Überblick über die englisch- und französischsprachige Krimiszene.
Für alle Genres gilt: Eine gute Übersetzung entsteht nie »mal so eben«
Was sollten Leser unbedingt über Übersetzer wissen?
- Übersetzer sind auch nur Menschen.
- Hey, Übersetzer sind Menschen! Die sich hingesetzt und das fremdsprachige Buch Satz für Satz auf Deutsch neu geschrieben haben. Das macht man sich vielleicht nicht immer so klar.
- Übersetzer sind deshalb auch immer irgendwie in ihrer Übersetzung vorhanden, denn sie können ja a) nur das wiedergeben, was sie dem Originaltext entnommen haben (professionell, wie sie sind, haben sie hoffentlich einen großen Teil des Bedeutungsspektrums erfasst), und das b) nur in ihrer ganz persönlichen Sprache tun, eine andere haben sie ja nicht. Mein Kollege Frank Heibert sagte einmal sinngemäß, der Leser wolle eigentlich nur mit dem Autor ins Bett, dabei drängele sich bei Übersetzungen immer noch ein Dritter mit unter die Bettdecke. Sorry, lieber Leser, das stimmt leider.
- Übersetzer sind meiner Erfahrung nach überdurchschnittlich oft sehr nette, intelligente Menschen mit breiter Allgemeinbildung, die aufmerksam zuhören (kein Wunder!) und mit offenem Blick durch die Welt gehen. Jedes Jahr wieder auf der Wolfenbütteler Jahrestagung festzustellen. Danke, liebe Kollegen!
Krimiscout bedankt sich bei Stefanie Jacobs und wünscht ihr weiterhin viel Erfolg.
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