Der schottische Autor Christopher Brookmyre ist ein scheues Wesen. »Eigentlich gebe ich keine Interviews«, lautete seine erste Reaktion. Dass es dennoch geklappt hat, freut uns umso mehr. Im Gespräch mit Krimiscout gewährt der Autor seinen Lesern nicht nur Einblicke in sein Allerheiligstes.

Christopher Brookmyre im Interview mit Krimiscout

KS: Ist ein Buch erst einmal erschienen, haben AutorInnen keine Kontrolle mehr darüber. Wie stehen Sie zu dieser These?

CB: Das trifft durchaus zu. Sobald ein Buch erschienen ist, gehört es – zumindest teilweise – seinen Lesern, weil es ein Gemeinschaftsprojekt ist. Deshalb ist mir ist diese seltsame Phase zwischen der Fertigstellung der Rohfassung und dem Erscheinen auch so unangenehm: Ein Buch existiert erst dann, wenn es von anderen gelesen wird. Davor besteht es nur aus Worten, die ich mir ausgedacht und aufgeschrieben habe. Erst wenn sie jemand liest, geht es mir besser.

KS:  Würden Sie sagen, Sie gewinnen mit jedem Buch mehr Selbstvertrauen?

CB: Selbstvertrauen stellt sich bei mir einfach nicht ein. Natürlich lerne ich bei jedem Roman etwas über mich und mein Handwerk, doch vor jedem neuen Projekt steht wieder diese Unsicherheit. Kriege ich es nochmal so gut hin wie beim letzten Mal? Tatsächlich ist jedes neue Buch eine neue Herausforderung. Autoren machen sich außerdem gern das Leben schwer. Statt sich auf eine bewährte Methode zu verlassen, wollen sie es beim nächsten Mal unbedingt völlig anders machen.

Manchmal bleibe ich nach langen, intensiven Arbeitsphasen in meinen Geschichten stecken und finde nicht so leicht zurück in den Alltag. In solchen Fällen hat sich Bier als recht hilfreich erwiesen.

KS: Wie gefällt Ihnen das Schreiben als Vollzeitbeschäftigung? Geht es Ihnen manchmal auf die Nerven?

CB: Ich bin seit über zwanzig Jahren Vollzeitautor, von daher habe ich mich an die Freiheiten und Zwänge dieses Berufs gewöhnt. Vorher war ich jahrelang in Redaktionen bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften tätig, deshalb fehlte mir am Anfang der soziale Austausch mit Kollegen, aber es war nie so schlimm, dass ich diesen Schritt bereut hätte.

Gelegentlich frage ich mich allerdings, ob es so gesund ist, seine Zeit dauerhaft in Gesellschaft von Menschen zu verbringen, die es gar nicht gibt.

Gelegentlich frage ich mich allerdings, ob es so gesund ist, seine Zeit dauerhaft in Gesellschaft von Menschen zu verbringen, die es gar nicht gibt. Manchmal bleibe ich nach langen, intensiven Arbeitsphasen in meinen Geschichten stecken und finde nicht so leicht zurück in den Alltag. In solchen Fällen hat sich Bier als recht hilfreich erwiesen.

KS: Wo schreiben Sie?

CB: Ich arbeite in einem großen hellen Zimmer mit hoher Decke, das eigentlich als Wohnzimmer gedacht war. Beim Einzug schlug meine Frau vor, es zu meinem Arbeitszimmer zu machen.

Autor Christopher Borkiger bei der Arbeit

In unseren früheren Wohnungen saß ich immer in der Küche, weil es da immer am wärmsten war. Die Wände und Möbel in meinem Arbeitszimmer sind eher nüchtern gehalten, damit die Sache von vornherein klar ist: Hier wird gearbeitet!

KS: Gibt es einen Mythos über Schriftsteller, den Sie gern entlarven würden?

CB: Mythos würde ich es vielleicht nicht nennen, aber es gibt da etwas, das einem niemand vorher sagt: Als Autor bleibt dir kaum Zeit zum Lesen!

Wenn ich an einem Roman arbeite, fällt es mir schwer, andere Geschichten zu lesen, also spare ich mir das für den Urlaub auf und lese wie ein Bekloppter, wenn ich mit dem Manuskript fertig bin. Während der Arbeit an einem laufenden Projekt halte ich mich an Sachbücher oder Graphic Novels, denn die haben meist keine konkrete Erzählerstimme, die meine eigene Stimme stören könnte.

KS: Wie viel Zeit verbringen Sie täglich mit dem Schreiben? Arbeiten Sie nach einem strengen Zeitplan, oder hängt Ihr Pensum eher von der Tagesform ab? 

CB: Meist schreibe ich zwischen neun und sechs, aber es kommt auch darauf an, wie sich die Geschichte entwickelt. An manchen Abenden schreibe ich weiter, weil ich mich an was festgebissen habe, und dann gibt es Tage, da mache ich früher Schluss, weil ich weiß, dass ich am nächsten Morgen frischer bin.

KS: Macht Ihnen das Schreiben immer Spaß?

CB (lacht): Nicht immer, aber wenn es mir Spaß macht, ist das ein gutes Zeichen, dass alles passt. Diese Arbeit ist schon ein bisschen paradox: Erst wenn man Fortschritte macht, erkennt man, wie schwierig die Aufgabe eigentlich ist. Trotzdem ist jeder winzige Durchbruch zutiefst befriedigend, jedes Aufschimmern vermittelt eine Ahnung vom Aussehen des fertigen Buchs.

KS: Wie wichtig ist Schottland in Ihren Romanen?

CB (denkt nach): Lokalkolorit ist ein wichtiger Bestandteil der meisten Kriminalromane, weil er dem Leser den Eindruck vermittelt, die Ereignisse spielten sich in einer einzigartigen Umgebung ab. Schottland verfügt über eine reichhaltige Auswahl unterschiedlichster Schauplätze, sowohl in gesellschaftlicher als auch in geografischer Hinsicht, und der Einsatz von Dialekten und Slangausdrücken macht die Sprache erst so richtig lebendig. Witzig, gerade in diesem Jahr habe ich zwei Romane geschrieben, die nicht in Schottland stattfinden: einer spielt in London, der andere im Weltraum.

KS: Welche Geschichten oder Autoren haben Sie beeinflusst?

Mit Anfang zwanzig war ich schwer beeindruckt von Iain Banks, weil er mir zeigte, dass spannende, innovative Romane in Schottland spielen und in schottischem Dialekt geschrieben werden können.

CB: Ich wuchs mit Kriminalromanen auf ohne zu ahnen, dass sie einem bestimmten Genre angehörten. Robert Ludlum und Ian Fleming begleiteten mich während meiner Jugendzeit. Damals beschloss ich, schnelle, spannende Thriller zu schreiben. Mit Anfang zwanzig war ich schwer beeindruckt von Iain Banks, weil er mir zeigte, dass spannende, innovative Romane in Schottland spielen und in schottischem Dialekt geschrieben werden können.

KS: Was kommt als Nächstes?

CB: Mein neuester Roman ist eine Mischung aus Science Fiction und Krimi, er spielt im Weltall und hat zwei Polizistinnen als Hauptfiguren. Außerdem habe ich mit »Want You Gone« einen neuen Krimi über Jack Parlabane geschrieben, der im April erscheint. (Der US-Titel lautet »The Last Hack«).

Krimiscout bedankt sich für die interessanten Antworten und wünscht Christopher Brookmyre viel Erfolg!

© dt. Übersetzung: Andrea O’Brien, Krimiscout 2017

Bildnachweis

Beitragsbild © Christopher Brookmyre, (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung)

Bild 1 © Christopher Brookmyre (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung)


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