Für die allseits beliebte Reihe »Fahnderprofile« hat der Krimiscout diesmal Claudia Denker von der Buchhandlung »Hammett« verhört – und Spannendes erfahren. Hier das Ergebnis – exklusiv für Krimiscout-Leser.
- Steckbrief Claudia Denker
CD: Aufgewachsen bin ich in Hannover, meine Ausbildung zur Buchhändlerin fand in Oldenburg statt, danach ein bisschen Germanistikstudium, nebenbei jedoch immer Buchhandel. 1987 kam ich nach Berlin, 1992 bekam ich meine Tochter. 1995 Gründung der Krimibuchhandlung Hammett, 1998 Verkauf an meinen alten Schulfreund Christian Koch. Seit 2014 gehöre ich wieder zum Hammett-Team.
Momentan arbeite ich daran, die Leichenberg Kolumnen aus dem Nürnberger »Plärrer« (seit 1988) von Thomas Wörtche in Buchform zu bringen, das ist ein großer Spaß, aber viel Arbeit. Es wird ein dickes Buch für Fans mit einem langen Register.
- Wann kamen Sie das erste Mal mit Kriminal- bzw. Spannungsliteratur in Berührung?
CD: Ich kann mich erinnern, dass ich meinem Vater als Kind mal erzählt habe, dass ich gerne Detektivin werden möchte. Das muss etwas mit Hans-Jürgen Press „Die Abenteuer der schwarzen Hand“ zu tun gehabt haben.
Als ich dann »durfte«, konnte ich mich nicht sattsehen an Krimiserien. Ich liebte die Stiefel von Emma Peel und die Sprüche von Roger Moore und Tony Curtis aus »Die Zwei«. Edgar Wallace und Miss Marple – damit kamen dann auch die ersten roten Goldmann-Krimis ins Haus und Sherlock Holmes, dann irgendwann u. a. Chandler, Hammett und van de Wetering «
Das Böse, die Abgründe, das Grummeln im Bauch beim Lesen, oft ist es einfach dieser »Wow-Effekt«, wenn man langsam reingezogen wird in die Geschichte und nicht mehr aufhören kann
- Warum Krimis? Was ist Ihrer Meinung nach so faszinierend an diesem Genre?
CD: Nicht faszinierend finde ich erst einmal die Metzel-, Häcksel-, Blutspritz-um-jeden-Preis-Krimis, die sich aus irgendwelchen Gründen auf den bekannten Bestsellerlisten tummeln.
Was genau die Faszination ausmacht? Hmm. Kriminalliteratur darf alles. Das Böse, die Abgründe, das Grummeln im Bauch beim Lesen, oft ist es einfach dieser »Wow-Effekt«, wenn man langsam reingezogen wird in die Geschichte und nicht mehr aufhören kann…
- Wie würden Sie den deutschen Krimimarkt charakterisieren? Bestehen Unterschiede zum englischen Krimimarkt (UK und USA)? Welche?
CD: Wir sind im »Hammett« schon sehr verwöhnt. Unsere Kunden sind sehr informiert und neugierig auf neue interessante Autoren. Kleine feine Verlage, wie zum Beispiel der Polar-Verlag oder Pulp Master haben sich bei uns etabliert. Leider finden solche Verlage in den großen Buchhandlungsketten hier wenig statt. Das finde ich sehr schade. Stattdessen stapeln sich dort Fitzeks »Zerschunden«, »Zersetzt« usw., der 28. Brunetti, und die Ostfriesen- und Knödel-Krimis.
Über den englischen Krimimarkt weiß ich nicht viel, so viel aber, dass z. B. Biographien oder Sekundärliteratur dort sehr viel beliebter sind als in Deutschland. Und im Unterschied zu dem englischen Buchmarkt haben wir hier immerhin noch die Preisbindung, was gerade den kleinen Verlagen, und damit den interessanten unbekannteren Autoren zugute kommt.
- Welcher Autor/Autorin hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt? Warum?
CD: Das ist nicht so schwer. In letzter Zeit – ganz klar Candice Fox. Ihre »Hades-Trilogie« (in der deutschen Übersetzung von Anke Burger) finde ich phänomenal. Hades, mit dem »Nebenerwerb« auf seiner Müllhalde, Cops, die gleichzeitig Killer sind … Diese junge Autorin hat Phantasie. Und ich durfte auch schon das Leseexemplar von »Crimson Lake« (in der deutschen Übersetzung von Andrea O’Brien) lesen, das erst im Oktober erscheint … wieder grandios!
In den letzten Monaten hat »Hammett« so schöne Lesungen von einigen meiner Lieblingsautoren mitorganisiert, die letzte war mit Gary Victor, einem faszinierenden Autor aus Haiti, der drei wahnsinnige Bücher (»Schweinezeiten«, »Soro« und »Suff und Sühne«, erschienen in dem ebenfalls kleinen Verlag »litradukt«) veröffentlicht hat.
Und Max Annas hat seinen Roman »Illegal« vorgestellt, der die Situation illegal (in Berlin) lebender Geflüchteter sehr eindrücklich in einem spannenden Krimi schildert. Was macht man, wenn man Zeuge eines Mordes wird und nicht zur Polizei gehen kann? Mit seinen Vorgängern »Die Farm« (Diaphanes) und »Die Mauer« hatte er mich schon längst.
Donald Ray Pollock (»Die himmlische Tafel«, Liebeskind, in der deutschen Übersetzung von Peter Torberg) war ebenfalls ein Erlebnis, auch wie er im österreichischen Restaurant den Kaiserschmarrn verputzt hat.
- Welchen bisher unentdeckten englischsprachigen Krimiautor/in würden Sie dem deutschen Publikum unbedingt empfehlen?
CD (lacht): Oh, da bin ich leider die Falsche, da müsste ich mehr in englischer Sprache lesen, ich nehme es mir zwar immer mal vor, bin aber dann doch zu faul.
Insel-, Knödel-, Tier- und was-weiß-ich-noch-Krimis, ach ja, Urlaub ist natürlich wichtig – vielleicht auch noch ein paar Kochrezepte aus der Region dabei.
- Gibt es so etwas wie Modeerscheinungen im Krimigenre? Wenn ja, welche Mode herrscht gerade?
CD: Lustig finde ich die vielen »Girls« im Titel. Seit »Gone Girl« von Gillian Flynn (den mochte ich ganz gerne, auch den Film), gibt es nach »Girl on the Train« von Paula Hawkins immer mehr davon. Na ja, und dann die ganzen Insel-, Knödel-, Tier- und was-weiß-ich-noch-Krimis, ach ja, Urlaub ist natürlich wichtig – vielleicht auch noch ein paar Kochrezepte aus der Region dabei.
- Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens, glauben Sie, dass der Politkrimi in nächster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen wird?.
CD: Vor der Frankreich-Wahl haben wir von Jerome Leroy »Der Block« sehr gut verkauft. Sowas gab es aber schon immer zur jeweiligen politischen Situation. Trotzdem glaube ich nicht, dass der Politkrimi mehr oder weniger bedeutend wird … er war es schon immer (habe gerade mal wieder einen Ross Thomas gelesen).
ich habe mal einen Krimianfang geträumt: Es geht ein Einbrecher um. Er tut nichts, außer die Betten in den jeweiligen Wohnungen zu beziehen – mit Rosenmotiv-Bettwäsche. Dann verschwindet er wieder…
Kann den mal einer zu Ende schreiben? Ich wüsste sehr gerne, was dahinter steckt.
- Gibt es für Sie Handlungsorte, Motive, Konstellationen oder Handlungsstrukturen, die Sie besonders reizen? Warum?
CD (runzelt die Stirn): Hauptsache, es packt mich … aber wenn ich länger drüber nachdenke, ich mag’s wenn es ruhig, deprimierend und düster – aber auch wenn’s rasend komisch ist. Dabei fällt mir ein, ich habe mal einen Krimianfang geträumt: Es geht ein Einbrecher um. Er tut nichts, außer die Betten in den jeweiligen Wohnungen zu beziehen – mit Rosenmotiv-Bettwäsche. Dann verschwindet er wieder…
Kann den mal einer zu Ende schreiben? Ich wüsste sehr gerne, was dahinter steckt.
- Krimis haben in der Literaturszene immer noch ein wenig das Image des Schmuddelkindes, will sagen, sie gelten als trivial. Wie, glauben Sie, könnte man dem Krimi als Genre zu mehr Souveränität verhelfen?
CD:
In der Krimibuchhandlung habe ich damit ja keine Probleme. In Moabit, wo ich gelegentlich in einer Buchhandlung aushelfe, kommen allerdings oft Kunden vorbei, die »keine Krimis lesen«. Dann erzähle ich ein bisschen aus dem Inhalt von Max Annas’ »Illegal«, und sie kaufen es. Dann denke ich: »Geht doch!«
Na gut … ich sage denen auch, dass der Mord in Moabit stattfindet …
Krimiscout bedankt sich Claudia Denker für das Interview und wünscht ihr weiterhin viel Erfolg.
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Bildnachweis
Beitragsbild (c) Max Schwarzlose, mit freundlicher Genehmigung