Sie kennen das sicher: Draußen stürmt es, der Regen prasselt gegen die Scheiben. Was gibt es Schöneres, als sich mit einem guten Krimi auf die Couch zu verziehen. Der Tee ist aufgebrüht, der Duft der bedruckten Buchseiten kitzelt in der Nase. Es kann losgehen… Wie ärgerlich, wenn der Krimi dann nicht funktioniert, wenn man sich langweilt und von Seite zu Seite quält. Um Ihnen das zu ersparen, habe ich hier meine persönlichen Rohrkrepierer des Jahres aufgelistet. Alles ohne Geweh…Gewähr.

1. Susan Hill: The Comforts of Home 

Dieser Roman ist Band neun in der Reihe um Chief Inspector Simon Serailler, der im fiktiven englischen Ort Lafferton Verbrechen aufklärt. Die Serie hat ein paar ganz unterhaltsame und auch spannende Krimis hervorgebracht, doch jetzt ist der Autorin offenbar die Luft ausgegangen. Ihr letztes Machwerk ist dann auch nur mehr für echte Hardcore-Fans geeignet, die es einfach nicht lassen können.

„The Comforts of Home“ geht dort weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat: Ein schlimmer Überfall hat Serailler schwer verletzt, er erholt sich im Krankenhaus und erlebt infolge seiner Verletzung eine schwere Lebens- und Sinnkrise. Von da an zieht sich der Roman wie Kaugummi. Man tummelt sich im gemütlichen, selbstzufriedenen englischen Mittelschichtsambiente zwischen Schinkensandwiches und Schampus, redet sich die Vorzüge von privaten Krankenversicherungen schön, singt im Kirchenchor oder nimmt sich eine Auszeit auf dem zweiten Wohnsitz in Frankreich. Hatte ich schon erwähnt, wie köstlich Linguini mit Krabben schmecken? Ach ja, und irgendwo dazwischen geschieht auch ein Verbrechen, das wird allerdings hurtig aufgeklärt. Alles wieder gut. Wo waren wir stehengeblieben? Also, dieser Rosé…

Mein Fazit: Der Titel sagt alles über den Inhalt. Spannung? Fehlanzeige. 

2. Nicci French: Day of the Dead 

(Der achte Tag, dt. von Birgit Moosmüller)

Und wieder eine Fortsetzungsreihe. Das Duo Nicci French schreibt seit mehreren Jahren Krimis rund um einen Serienkiller und dessen ultimatives Opfer, Dr. Frieda Klein. Dabei ist jeder Band einem Wochentag zugeordnet. 

Die Serie lebt von dem Umstand, dass nur wenige Leute so recht an die Existenz dieses Serienkillers glauben, was die Psychoanalytikerin Frieda Klein immer wieder unter Zugzwang setzt, während die Leute um sie herum sterben wie die Fliegen.

Der achte Tag von Nicci French (©C.Bertelsmann)

Das Ganze war, ich gebe es zu, mitunter sehr unterhaltsam, vor allem, weil das schreibende Ehepaar Nicci Gerard/ Sean French sehr talentiert Geschichten erzählen kann, interessante, sympathische Figuren entwickelt und die Grundregeln des Spannungsaufbaus und der Plotentwicklung beherrscht. Doch nach den ersten Bänden ging dem Duo offenbar die Puste aus, und dieser achte und vermeintlich letzte Teil der Serie ist dermaßen lust- und leidenschaftslos hingeknallt, dass das erwartete Lesevergnügen recht schnell in Missmut umgeschlagen ist. Das große Finale hat mich komplett unterfordert, und die gesamte Geschichte wirkte sehr nach Schema F verfasst. Gibt es eigentlich schon eine App für inspirationslose, schreibmüde Krimiautoren? Man sollte eine Serie beenden, wenn ihr der Saft ausgeht.

Mein Fazit: Lieblos hingeklatschtes Finale nach Schema F 

3. Jane Harper: Force of Nature 
(Ins Dunkel, dt. von U. Wasel/ K. Timmermann)

Serienbashing, die Dritte. Ich habe nichts gegen Serien. Es ist doch super, wenn man die Hauptfigur, Backstory und die wichtigsten Nebenfiguren schon kennt und ein Verhältnis zu ihnen aufgebaut hat. Jetzt muss nur noch ein spannender Fall her, und die Sache ist geritzt. Leider scheitert es bei Jane Harpers zweitem Band in der Reihe um Aaron Falk genau an dieser Zutat. 

Bei einer Art Betriebsausflug werden die Mitarbeiter einer größeren Firma für drei Tage in einer abgelegenen Gegend im australischen Busch abgesetzt, weil sie sich bei der organisierten Wanderung mit Zeltlager näherkommen sollen. Die Belegschaft wird in eine Männer- und eine Frauengruppe aufgeteilt. Doch die Frauengruppe gerät auf Abwege, und die Teilnehmerinnen verirren sich im Busch. Erst viele Stunden später tauchen vier von fünf Frauen am Treffpunkt auf, sie sind verletzt und halb verdurstet. Die fünfte Teilnehmerin, Alice, ist verschwunden. Die Frage lautet also: Was ist mit Alice passiert? Ist sie tot oder nur verletzt? Ist sie einem Unfall zum Opfer gefallen oder einem Verbrechen?

Ins Dunkel von Jane Harper (© Rowohlt)

So weit, so gut. Oder auch nicht. Denn leider ist hier nichts gut. Der Krimiplot funktioniert nur, weil die Teilnehmer völlig unzureichend auf die Buschwanderung vorbereitet sind. Und genau da liegt das Kernproblem: Sollen wir ernsthaft glauben, dass ein professioneller Veranstalter solcher Exkursionen einen Haufen völlig unerfahrener, untrainierter Teilnehmer ohne Kontaktmöglichkeit und Notration in die Wildnis schickt und sich danach nicht mehr um sie kümmert? Nee, oder?

Leider lassen auch die Figuren zu wünschen übrig: Die Frauen in dieser Gruppe sind durchweg unsympathisch und so schwach entwickelt, dass sie sich kaum voneinander unterscheiden. Vermutlich war das auch der Grund, warum sie mir alle ziemlich egal waren – einschließlich des Opfers. 

Die Erzählstruktur weist erhebliche Schwächen auf: Der Ermittlungsplot wird im Präsens und aus Aarons Perspektive erzählt. In diesen Hauptstrang werden rückblickend geschilderte Szenen der Wanderung eingeflochten, diese werden chronologisch, also Tag für Tag, erzählt. Durch diese Konstruktion sind viele Stellen doppelt gemoppelt, wir wissen bereits, was geschehen ist, und die erneute Schilderung bekannter Abschnitte bringt leider keine neuen Erkenntnisse. Die Tatsache, dass Alice verschwunden ist, wird uns bereits zu Beginn des Romans eröffnet, wodurch viel Spannung verloren geht. 

Und dann ist da noch das Rätsel um Alices Verschwinden. Die Auflösung ist seicht, und die vielen falschen Fährten sind leicht als solche zu durchschauen. Das sind nur einige Schwachstellen dieses zweiten Romans der ansonsten doch recht talentierten Autorin Jane Harper. Vielleicht findet sie ja in Band drei wieder zu ihrer alten Form zurück.

Mein Fazit: Unglaubwürdig, dünner Plot, unsympathische Figuren.

4. Tana French: The Witch Elm

(Der dunkle Garten, dt. von U. Wasel/K. Timmermann)

Ja, ich weiß, ich traue mich was. Obwohl er hochgelobt und in vielen Zeitungen positiv besprochen wurde, hat dieser überambitioniert geschriebene, unglaubwürdige Roman bei mir leider überhaupt nicht funktioniert.

Dass sich French mit diesem Roman von ihrer Kernkompetenz, dem Police Procedural, entfernt, muss ja nicht unbedingt schlecht sein, ist es im Ergebnis dann aber leider doch. In diesem Buch haben wir es mit zwei Verbrechen zu tun, es gibt also zwei „Rätsel“ zu lösen. Beide haben Spannungspotenzial und sind auch einigermaßen unheimlich. Doch am Ende, pfft.

Der dunkle Garten von Tana French (©S. Fischer / Scherz)

Die wenigen Versuche, rund um die Verbrechen Spannung oder auch Grusel aufzubauen, haben leider nicht funktioniert. Gänsehaut? Fehlanzeige. Die Eingangsszene hatte zwar genug Wucht, um als Haken zu funktionieren, doch auch hier fehlte es an Spannung, die Wirkung entfaltete sich hier über brutale Gewalt und deren schockierenden Nachwehen.

Vieles hat mir bei diesem spannungslosen Krimi die Petersilie verhagelt, doch an erster Stelle steht die im Gegensatz zum Krimiplot (der bei einem Krimi nun mal eine wichtige Funktion hat) unausgewogen langatmige Nabelschau der wenig sympathischen, jammerlappenartigen Hauptfigur Toby Hennessy. Toby wurde bei einem Einbruch halb zu Tode geprügelt und hat danach mit einem Schädelhirntrauma zu kämpfen. Die Geschichte ist aus seiner Perspektive in der ersten Person erzählt, was an sich eine interessante Konstruktion ist, denn Toby hat nach dem Angriff diverse Erinnerungslücken und befürchtet eine Persönlichkeitsstörung. Das würde einige seiner extrem unglaubwürdigen Aktionen und Reaktionen erklären, macht sie aber nicht minder nervig oder weniger aufgesetzt. Und wo wir gerade beim Thema „aufgesetzt“ sind: French hat ihren Figuren da einen Teenagerjargon in den Mund gelegt, der nicht nur künstlich wirkt, sondern mir ziemlich schnell so richtig auf den Keks gegangen ist. 

Mein Fazit: Langatmig, zäh und mit enttäuschendem Finale. 

5. Sarah Vaughan: Anatomy of a Scandal

Anatomie eines Skandals von Sarah Vaughan (©Lübbe)

(Anatomie eines Skandals, dt. von Ute Leibmann)

In diesem Gerichtsdrama geht es um ein ernstes Thema, das von der Autorin leider nicht überzeugend behandelt wird. Zu viele Beschreibungen zerstören den Spannungsbogen, das zentrale Rätsel ist schnell gelöst. Es ist dem geneigten Krimileser vermutlich schon nach den ersten Seiten klar, wie hier der Hase läuft. Und wenn das – wie hier – geschieht, ist der Rest eigentlich nur noch langweilig.

Vaughans Figuren sind klischeehaft, sie hat die üblichen Verdächtigen versammelt: da ist der abgebrühte Anwalt, der gut aussehende Elite-Playboy und die Ehefrau, die nichts hört, nichts sieht und nichts sagt, weil sie ihr Luxusleben nicht aufgeben will. Es scheint, als gehe es der Autorin vor allem um ihre Message, die sie der Geschichte überstülpt wie eine kratzige Mütze. Geht gar nicht!

Mein Fazit: Geschwätzig, konstruiert und wenig überzeugend.

©Andrea O’Brien, 2018